Huglfing - Hamburg, ich erradl mir meinen Urlaubsort

Huglfing - Hamburg, ich erradl mir meinen Urlaubsort

Wie kam’s dazu? - Für 2023 haben wir einen entspannten Urlaub in Dänemark geplant und Hamburg ist immer einen Zwischenstopp wert. Malte, ein Triathlet, hat Flensburg - Garmisch allein im Race Across Germany gemacht - ein hartes Stück Arbeit und der initiale Funke für meine Radreise.

Meine erste Radreise allein, Huglfing - Hamburg. Die perfekte Gelegenheit, meinen neuen Gravler gebührend einzufahren/einzuweihen. Ich bin vielleicht etwas naiv an die Sache herangegangen. Huglfing 606 m und Hamburg 6 m über NN - es geht ja nur bergab. Komoot macht es mir, dem Rookie, echt einfach - Start und Ziel eingeben, die Art des Fahrrads wählen und das Ergebnis sind gut 850 km und 5200 hm. Ich habe mich für 8 Etappen entschieden.

Donnerstag morgen geht es los. Ich, mein Gravler, 10kg Gepäck verteilt auf eine Lenker- und eine Satteltasche und einen kleinen Rucksack für Wasser und Proviant.

So startete ich meine ersten Etappe Huglfing - Marxheim bei anfänglich leichtem Nieselregen. Hungerbach, Ammer, Ammersee, danach immer links halten Richtung Lech und die Sonne lacht. Eine abwechslungsreiche und sehr schöne Ecke.

Am Hochablass in Augsburg gibt’s Kaffee und Kuchen - so wie’s der Coach immer predigt.

Tagesziel ist die Lechmündung und das Land Steakhaus Bürger in Marxheim. Absolut empfehlenswert, vor allem das Wagyu Ribeye ;) Nach 137 km und 6 h im Sattel habe ich schnell, tief und fest geschlafen.

Für Freitag steht Schwaben - Mittelfranken auf dem Programm und Komoot meint es ernst mit dem Offroad-Fahren. Grober Schotter, Bergauf und ich werden keine Freunde mehr - ich hab mich hingelegt. Gott sei dank ist der Gravler heil geblieben.

Wenn man schon mal in der Gegend ist, darf ein Abstecher in Roth nicht fehlen… Keine 300 Tage mehr! :D

Ich treffe mich mit Tobi zu Kaffee und Kuchen bei der Bäckerei Schmidt und freue mich auf den Main-Donau-Kanal - ruhig und magisch.

Von Schwaben nach Mittelfranken geht’s bergauf, angeblich 1000 hm verteilt auf 113 km und knapp 6 h kurbeln. In Nürnberg verlasse ich den Kanal und lande auf dem Altstadtfest, perfekt für Abendessen und ein Feierabendbier. Die erste Tätigkeit ist Radklamotten waschen, Trinkflasche und Radler entstauben - definitiv notwendig.

Tag 3, es stellt sich eine gewisse Routine beim Frühstücken, Packen und Kurbeln ein. Losfahren war schon mal einfacher. Das heutige Ziel ist Coburg, am Flughafen vorbei, durch den „Schdeggerlaswald“ finde ich die Pegnitz und schließlich wieder den Main-Donau-Kanal. In Bamberg bieg ich ab und stelle fest, ich liege echt gut in der Zeit. Was kenne ich denn hier in der Gegend? Irgendwas mit 14 Heiligen, glaub ich, gibt es. Und siehe da, Komoot kennt auch hier einen Feldweg.

Mit Blick auf die Basilika genieße ich den blauen Himmel und den Sonnenschein, wie gelernt vom Coach, bei Kaffee und Kuchen. Das Rahmenprogramm mit Wallfahrern und Betrunkenen ist sehr unterhaltsam. Aber ich habe noch ein paar Kilometer bis Coburg und meine Gastgeber, Sabine und Robert, werden bestimmt schon warten. Die 120 km bis ins bucklige Coburg haben hungrig gemacht, Abhilfe hat ein Schäufele im Biergarten und die Eisdiele auf dem Heimweg.

Tag 4 startet mit einem ausgiebigen Frühstück. Vielen Dank Robert und Christine für den Rundum-sorglos-Aufenthalt. Mit etwas Verzögerung geht es in den Thüringer Wald. Alter Lachs, hier hat’s richtig Höhenmeter und viele Schotterwege. Um Masseberg hab ich gefühlt jeden Feldweg mitgenommen und die Folge ist, ich bin durch. Kein Druck mehr auf’m Pedal, keine Lust mehr und die Laune sinkt. Der Zufall hat mich zum Stadtilmer Highlight geführt - die Eisdiele am Marktplatz. Spezi, Waldbeerbecher und Espresso plus ein paar einheimische Gestalten bringen Energie und sorgen für Ablenkung. Gut gelaunt geht’s zum heutigen Endspurt der Ilm entlang nach Weimar - 120 km und 1400 hm. Ich habe mich im 36 Pho Co einquartiert, ein bisschen Vietnam im Herzen von Weimar, absolut empfehlenswert. Guesthouse und Restaurant sind Wahnsinn.

Die Hälfte ist geschafft, Tag 5 startet mit dem Highlight, dem Grund für meinen Abstecher nach Weimar, Katrin.

Wir haben uns zum Frühstück verabredet, Ramen ist echt lecker und funktioniert richtig gut zum Radeln. Allerdings haben wir uns heillos verquatscht und ich verabschiede mich bei leichtem Nieselregen erst gegen halb elf. Auf geht’s in den Harz.

Landschaftlich abwechslungsreicher als gedacht, leider sind die Kieswege immer noch schlecht. Bergauf nerven kleine Fliegen und dieSchweinezucht riecht man schon lange, bevor man sie sieht. Auffällig sind die unzähligen Obstbäume und Hagebutten, die am Wegrand und zwischen den Feldern stehen.

Mein Bedarf an Schotter ist gedeckt für heute, ich steige auf Radwege um. Mein heutiges Ziel kommt langsam aber sicher näher, der Regen hat mich eingeholt und bei dem Wind kommt er quer. Also kurz Pause machen, Regenjacke an und weiter kurbeln. Stolberg ist wie ein Bilderbuch mit all seinen Fachwerkhäusern. Nach 5 ½ Stunden im Sattel ruft die Sauna.

Die Königsetappe steht auf dem Tagesplan, 120 km und gut 1000 hm durch den Harz. Ich bin früh startklar und nutze die Gelegenheit, bei blauem Himmel und Sonne einen Abstecher zum größten eisernen Doppelkreuz Europas zu machen. Das Josephskreuz steht irgendwo im Südharz, gar nicht mal so weit weg von zuhause.

Natürlich bin ich die Treppen hoch, das ganze Kreuz wankt bei den heftigen Windböen und es ist kalt. Also schnell wieder runter und auf nach Braunschweig. Ab Blankenburg wird’s Gott sei Dank flacher, aber der Wind nervt. Zeit für Kaffee und Kuchen und die zweite Hälfte geht dann ganz gut. Nach knapp 7h bin ich in Braunschweig angekommen, die Königsetappe ist geschafft. Ich bin fertig, ich hol mir einen Lahmacun am Bahnhof, der richtig gut ist, gönn mir noch zwei Saunagänge und falle hundemüde ins Bett.

Vorletzter Tag und es stehen keine Höhenmeter mehr auf dem Plan, aber Pflaster. Ziel ist, den Elbe-Seitenkanal zu finden, was bei mäßigem Wind und gutem Wetter kein Problem ist.

Ich überhole das ein oder andere Containerschiff, ich dachte immer, die fahren schneller. Nach ⅔ der Tagesstrecke tut sich ein ruhiges Plätzchen am Kanal auf und ich lege einfach mal die Füße hoch, ich hab sogar mal kurz die Augen zugemacht.

Das war gut so, Kopfsteinpflaster und komische löchrige Betonplatten in Kombination mit Gegenwind machen

keinen Spaß. Aber nach knapp 100 km und unglaublichen 90 hm komm ich in Uelzen an. Hotel 11 Eulen, ein Bio-Hotel mit Campingplatz im Grünen und ein Unverpackt Laden. Ein cooles Konzept und die Küche ist klein aber sehr fein. Ein letztes mal Radbekleidung waschen und dann geht’s auch schon ins Bett.

Tag 8 von 8, ich kann’s noch gar nicht glauben, dass heute Schluss sein soll. Ich genieße die Ruhe beim Frühstück im Garten, der Kopf denkt "Ich bin doch noch keine 8 Tage unterwegs!”, die Beine fühlen sich aber so an. Ein letztes Mal Bike packen und los geht’s zurück zum Elbe-Seitenkanal und dann immer flussabwärts.

Schneller als gedacht erreiche ich die Elbe, eine windstille Bank lädt zu einem Päuschen ein. Axel hat gerade geschrieben, er ist gut in Hamburg angekommen. Ich schwing mich wieder aufs Bike und es stellt sich ein Gefühl von Stolz ein. Ein Moment der Unaufmerksamkeit und eine falsch eingeschätzte Kante reichen, 30 km vor Hamburg bin ich ungeplant abgestiegen. Der Kopf tut weh, auf den ersten Blick sind es nur ein paar Kratzer und Schürfwunden an Fahrrad und Fahrer - noch mal Glück gehabt. Lenker wieder ausrichten und ganz vorsichtig geht’s weiter. Als das Adrenalin sinkt, merke ich, die rechten Rippen haben doch mehr abbekommen, aber ein Triathlet kennt keinen Schmerz.

Und siehe da “Hansestadt Hamburg", ich passiere das Ortsschild, und um 14:30 Uhr roll am Jungfernstieg ein. Axel nimmt mich an der Binnenalster in Empfang, ich kann’s ja gar nicht glauben, Huglfing - Hamburg ist geschafft! Aber ich bin mega stolz…

Wo sind die 8 Tage hin? - Ich habe sie großteils mit Radeln verbracht ;) In Zahlen: 907 km, knapp 5400 hm und gute 42 ½ h Kurbeln.

Eine mega cooler Start in den Urlaub und definitiv nicht mein letztes Bike Hiking. Die 10 kg Gepäck sind echt “schwierig” bergauf! Kleiner Vorteil, das Zusatzgewicht macht den Gravler ruhiger auf schlechten Wegen und ich habe viele davon auf meinem Weg längs durch Deutschland gefunden. Mein Bedarf an Gegenwind, Kopfsteinpflaster und Schotter für 2023 und 2024 ist gedeckt.

Ich hatte Bedenken “Ist meine Entscheidung, Huglfing - Hamburg allein als Rookie durchzuziehen, die Richtige?”. In Hamburg angekommen, gibt’s ein klares “Ja, das war definitiv perfekt!" Ich hatte Zeit für mich, die zusätzlichen Radkilometer sollten für Roth 2024 helfen.

Jetzt, wo ich meinen Urlaubsort erradelt habe, ist erstmal Erholen und Regenerieren angesagt und irgendwann mal Gravler putzen…der hat’s echt nötig.